"Über politische Grenzen hinweg konsolidiert sich in Deutschland ein neuer Autoritarismus...
Die deutschen Lehren aus der Geschichte erweisen sich, je mehr sie bemüht werden, umso mehr als hohle Phrasen.
„Wenn Deutschland mit dem Völkermord an Juden und Jüdinnen die Unterstützung einer Kriegsführung begründen kann, die große Teile der Welt als Genozid betrachten, ist auf wenig mehr Verlass.
Die humanistische Substanz der offiziellen Erinnerungskultur erweist sich als erschreckend dünn – und damit ist auch die Annahme erschüttert, das Gedenken an die NS-Verbrechen werde helfen, künftigem Faschismus und Autoritarismus vorzubeugen“, schrieb die Autorin Charlotte Wiedemann kürzlich auf dem medico-Blog [s.u.]...
Grabstätte für die über 130.000 nicht identifizierten französischen und deutschen Soldaten aus der Schlacht um Verdun
Es sind nicht linke, jüdische Intellektuelle, palästinensische Aktivist:innen oder die arabische Diaspora in Berlin, die eine Gefahr für Demokratie und wirklich antifaschistische Erinnerungspolitik darstellen. Entgegen den gängigen deutschen Überzeugungen ist sich unter ihnen heute wohl am ehesten umzuhören, wenn es um substanzielle Kritik des Kriegsregimes und des Autoritarismus geht.
Es ist stattdessen das Deutschland des Jahres 2024 selbst, seine Parteien, seine Öffentlichkeit und seine politische Kultur, die sich in einer autoritären Abwärtsspirale befinden...
Kein Sieg, kein Frieden, einfach Krieg, mit ungezählten Opfern: Das ist tatsächlich die nüchterne Bilanz von über zweieinhalb Jahren Krieg in der Ukraine, zu der auch eine hochmoralische Debatte beigetragen hat, in der Begriffe wie Freiheit, Menschenrechte und Demokratie vor allem als Werbeslogans eines sich militarisierenden Kontinents dienen, die die Abwesenheit politischer Ideen, erst recht solcher für die Zukunft, nur notdürftig kaschieren können.
„Was jetzt losgebrochen ist, ist die gesamte Maschinerie und der Teufel selber. Die Ideale sind nur aufgesteckte Etikettchen“,
notierte Hugo Ball, Gründer des Cabaret Voltaire in Zürich, der Geburtsstätte des Dadaismus, im November eben jenes Jahres 1914 in seinem Tagebuch...
Der sich im Fahrwasser der Kriegslogik erdrutschartig beschleunigende Rechtsruck der gesamten politischen Landschaft ist dabei auch Ausdruck der Tatsache, dass sich das Fenster einer progressiven Gesellschaftstransformation geschlossen hat.
Die kritische Zivilgesellschaft und ihre Organe, lange Zeit zumindest politische Stichwortgeber, stehen größtenteils im Abseits; übrig geblieben ist das politische Pingpong-Spiel von neoliberaler Mitte und rechtskonservativen und faschistischen Kräften...
Was aber kann das heißen?
Ein kritisches Nachdenken in angemessener Distanz über einen von Kriegslogik, Verunsicherung und Rassismus neu formierten Nationalismus könnte ein Anfang sein..."
"Wer anderen das Menschsein abspricht, ist auf dem Weg in den Abgrund.“
Fritz Bauer, Initiator des Frankfurter Auschwitzprozesses von 1963
"Deutschlands Erinnerungskultur ist auf Abwegen unterwegs. Das hat fatale Konsequenzen...
Seit Malcolm X 1964 nach Gaza reiste, haben sich Erniedrigte und Entrechtete im Schicksal der Palästinenser wiedererkannt; ihre Lage wurde zum Spiegel ungerechter Weltverhältnisse.
Der Gaza-Krieg entblößt nun im Extrem, wie der Westen mit zweierlei Maß misst, doch ist dieser dunkle Höhepunkt zugleich der Kipppunkt einer Ära..."
Kommentar hinzufügen
Kommentare