Kriegsdienstverweigerung

Kriegsdienstverweigerung ist die Weigerung eines Menschen, an einem Krieg teilzunehmen oder ihn zu unterstützen. In vielen demokratischen Staaten ist die Verweigerung des Kriegsdienstes gesetztes Recht, so auch in Deutschland gemäß Artikel 4 III GG. Hier heißt es: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." (KDVG).

"Da gibt es Menschen, die auf der anderen Seite der Front Familie und Freunde haben. Für sie ist klar, dass keine Seite die richtige sein kann."

Mark: "Es gibt nichts, worauf man stolz sein könnte."

"Da gibt es Menschen, die die Kriegspolitik der eigenen Regierung
ablehnen, und nicht ihr Leben für deren Ziele riskieren wollen."

"Da gibt es Menschen, für die jedes Menschenleben wertvoller ist als territoriale Ansprüche, Besitz oder Politik."

Ilja: "Das Leben der Menschen ist das Wichtigste."

"Da gibt es Menschen, die nicht Teil eines mili-tärischen Apparates
sein wollen, der unvor-stellbare Gewalt und Zerstörung über viele unbeteiligte und friedliebende Menschen bringt."

"Für uns steht außer Frage, dass die russische Regierung in der Ukraine einen Angriffskrieg führt. Die ukrainische Regierung hat sich zum militärischen Widerstand entschieden und wird darin mit Logistik, Aufklärung und Waffen durch die Staaten der Europäischen Union und der NATO gefördert.

In einer militärischen Logik ist damit alles klar: Auf der einen Seite steht der Aggressor, auf der anderen der Verteidiger.

Aber ist es wirklich so einfach?

Und gibt es außerhalb der militärischen Logik nicht auch andere Strategien, die sich gegen den Krieg richten, ihn behindern oder gar beenden können?"

"Nein sagen zum Dienst mit der Waffe darf nicht bestraft werden."

Landesbischof Friedrich Kramer, Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

"Wir wollen all diejenigen unterstützen, die sich auf welcher Seite auch immer, dem Grauen des Krieges entziehen, die sich verweigern, die desertieren. Für sie muss das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung gerade auch in Kriegszeiten gelten."

Unterschriftensammlung

2011 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) klar, dass es ein Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung gibt. Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist die Grundlage dafür: "Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit." Wer vor dem Zwang an einer Kriegsbeteiligung aus einem Staat flieht und deshalb eine Strafe droht, gilt als Flüchtling im Sinne der Genfer FlüchtlingskonventionAuch die UNO hat das Kriegsdienstverweigerungsrecht als internationales Menschenrecht anerkannt.

Dennoch gibt es viele Staaten, die dies national nicht übernommen haben oder nur für Friedenszeiten, jedoch für Kriegszeiten das Recht einschränken. Der Verein Connection e.V. setzt sich z.B. für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure ein.

Schutz und Asyl bei Kriegsdienstverweigerung und Desertion in Zeiten des Ukraine-Krieges

"In Russland und Belarus entziehen sich Menschen dem Einsatz im völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine. Auch in der Ukraine gibt es Kriegsdienstverweigerer. Trotz internationaler Beschlüsse zur Kriegsdienstverweigerung und trotz Regelungen zur Verweigerung völkerrechtswidriger Kriege im EU-Recht, fallen deutsche Asylentscheidungen anders aus.

Soldaten und Soldatinnen, die sich auf der Seite Russlands oder Belarus an diesem Krieg beteiligen, sind Teil eines völkerrechtswidrigen Einsatzes. Wenn sie sich dem Dienst entziehen, verweigern oder desertieren, müssen sie mit Strafverfolgung rechnen.

Das kann einen Schutz nach der EU-Qualifikationsrichtlinie begründen.

Für alle Seiten gilt, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung, wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011 festgestellt hat, Gültigkeit haben muss!"

"In den vergangenen 15 Jahren gab es zu Asylgewährung bei Kriegsdienstverweigerung oder Desertion einige bemerkenswerte Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes. Trotz dieser gerichtlichen Entwicklungen ist nach wie vor nicht sicher, dass Kriegsdienstverweigerer auch den notwendigen Schutz erhalten."

"Deutsche Behörden und Gerichte gehen bei einer Kriegsdienstverweigerung von sehr hohen Maßstäben aus. Sie orientieren sich an der vergangenen Rechtsprechung - und lehnen eine situative Entscheidung ab. Im Falle eines kurdischen Verweigerers stellte zum Beispiel das Verwaltungsgericht Saarland fest: »Eine solche Gewissensentscheidung setzt eine sittliche Entscheidung voraus, die der Kriegsdienstverweigerer innerlich als für sich bindend erfährt und gegen die er nicht handeln kann, ohne in schwere Gewissensnot zu geraten. Erforderlich ist eine Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen im Krieg und damit die eigene Beteiligung an jeder Waffenanwendung. Sie muss absolut sein und darf nicht situationsbezogen ausfallen.« Da der Antragsteller seine Verweigerung nicht in der vom Gericht geforderten Weise dargelegt hatte, wurde sein Asylbegehren abgelehnt. Es ist unbedingt zu empfehlen, dass die Kriegsdienstverweigerer mit Beratungsstellen in Kontakt treten, um sich auf Anhörungen vorzubereiten.

Da also der Schutz für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Deutschland unzureichend ist, fordern PRO ASYL und Connection e.V., sowohl russischen, belarussischen als auch ukrainischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren Schutz und Asyl zu gewähren. Deutschland und alle anderen EU-Länder müssen diese Menschen, die vor dem Kriegseinsatz fliehen, unbürokratisch aufnehmen und ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht ermöglichen."

vgl. proasyl.de, Rudi Friedrich, 24.03.2022 | Connection e.V.

Kriegsdienstverweigerungsgesetz | KDVG

Kriegsdienstverweigerer im Ukraine-Krieg:

Wenn Soldaten vor dem Einsatz flüchten

"Für mich ist dieser Krieg Wahnsinn." Tolja

derstandard.de, Johannes Pucher, Daniela Prugger, 19. Juli 2022

"Frühere Asylverfahren von Kriegsdienstverweigerern haben gezeigt, dass deutsche Behörden und Gerichte sehr hohe Beweisanforderungen stellen, die viele der Betroffenen nicht erfüllen können", sagt Rudi Friedrich, Geschäftsführer der deutschen NGO Connection e. V., die Kriegsdienstverweigerer und Deserteure berät. "Neben einem Nachweis über die Rekrutierung fordern deutsche Behörden unter anderem auch Belege für einen Einsatz im Kriegsgebiet und anstehende völkerrechtswidrige Handlungen. Das ist in der Praxis kaum zu realisieren."

"Es ist widersinnig, wenn man erst in den Krieg muss, um überhaupt Schutz bekommen zu können."

Rudi Friedrich von der deutschen NGO Connection e. V.

derstandard.de, Johannes Pucher, Daniela Prugger, 19. Juli 2022

Deserteure in der Ukraine:

Das Recht, Nein zu sagen

Nicht unser Krieg:

Viele Männer wollen die Ukraine verlassen

Ukraine-Krieg:

Wer fliehen darf, wer kämpfen muss


Was bedeutet eine Generalmobilmachung im Kriegsrecht?

"Bei einer Generalmobilmachung geht es völkerrechtlich darum, dass bei einem unmittelbar bevorstehenden Angriffskrieg bzw. Verteidigungskrieg über den aktiven Teil der Truppe hinaus alle verfügbaren Soldaten auf einen Kampfeinsatz vorbereitet werden sollen. (...) In Deutschland gehören dazu auch Reservisten. Hierzu gehören neben Soldaten und Soldatinnen, die den Wehrdienst absolviert haben, unter Umständen auch ungediente Männer, die wehrfähig sind. Diese sogenannte Wehrpflicht endet im Spannungs- oder Verteidigungsfall mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 60. Lebensjahr vollendet hat. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 5 WPflG.

Eine Ausnahme gilt in Deutschland (...) für diejenigen, die den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissengründen verweigert haben und als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind. Sie dürfen nicht zur Truppe eingezogen werden. Diese Befugnis ergibt sich aus Art. 4 Abs. 3 GG. Dies lautet wörtlich: Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Kriegsdienstverweigerer können jedoch zeitlich unbefristet zum Zivildienst herangezogen werden. In Deutschland dürfen neben Ungedienten auch alle, die bereits in der Truppe gedient haben, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen."

"In Deutschland ist eine Mobilmachung in Form der Teilmobilmachung oder Generalmobilmachung nicht ohne weiteres durch die Exekutive möglich. Eine Mobilisierung setzt vielmehr voraus, dass der Verteidigungsfall oder zumindest der Spannungsfall festgestellt worden ist. Es genügt hingegen nicht, dass der sogenannte NATO-Bündnisfall nach Art. 5 NATO-Vertrag eingetreten ist."

Die mit den Indizien eines Verteidigungsfalls verbundene Prognoseentscheidung muss sorgfältig getroffen werden. Auch wann der Spannungsfall besteht, ist in Art. 80a GG nicht definiert. Hierzu muss die außenpolitische Konfliktsituation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Angriff auf das Bundesgebiet führen. Latente Gefahren und Bedrohungen reichen für beides nicht aus.

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