"Diplomatie statt Waffen" | DsW


Wir sind die Signalgruppe "Diplomatie statt Waffen" der Petition des Offenen Briefs an Bundeskanzler Olaf Scholz vom 29. April 2022.

Alice Schwarzer (EMMA-Magazin) und 27 weitere Autoren und Erstunterzeichner initiierten den Offenen Brief, der am 29.04.2022 veröffentlicht wurde. Da innerhalb von 3 Stunden bereits 10.000 Unterschriften eingingen, wurde umgestellt auf eine Petition auf change.org. Bereits nach knapp 2,5 Tagen, am 1. Mai,  hatten 100.000 Menschen (Chronik der Ereignisse) unterzeichnet und viele von ihnen nutzten die Chance, sich mittels der öffentlichen Kommentarfunktion bei den Initiatoren zu bedanken, so auch wir. Darüber hinaus war dies nun endlich auch ein Mittel und ein Ort, mit ebenso Besorgten ins Gespräch zu kommen und seine Sorgen und die verzweifelte Hilflosigkeit teilen zu können. Für viele war/ist das ein Anker, da es beinahe unmöglich war, andernorts seine Gedanken zum Ausdruck zu bringen.

Innerhalb kürzester Zeit stellten wir uns nun - aus dem Bedürfnis heraus, respektiert, wahr- und ernst genommen zu werden - die Frage, was wir über das regelmäßige Kommentieren hinaus tun könnten. Denn: über den Brief und deren massiv steigende Unterzeichnerzahl wurde beinahe nichts berichtet und wenn, dann unreflektiert, unsachlich, unterstellend und diffamierend.

Also suchten wir nach einem Weg.

Über die Kommentarfunktion der Petition, die eigentlich nicht für Dialog vorgesehen ist (man kann kommentieren unter dem Titel "Ich habe die Petition unterschrieben, weil..."), haben wir DsWler uns zusammengefunden, indem wir bereits nach kürzester Zeit miteinander ins Gespräch kamen. Aufgrund der nicht vorhandenen Kontaktdaten und der Öffentlichkeit entwickelten wir die Idee der Signalgruppe, um überhaupt zusammenfinden zu können, d.h. der Link wurde dort gepostet. Den Link zur neu entstandenen Gruppe "Diplomatie statt Waffen" haben wir dann auch kontinuierlich dort weiterveröffentlicht und so wuchs unsere Gruppe stetig an. Damit kommen unsere Mitglieder aus ganz Deutschland und auch aus dem EU-Ausland (Österreich, Schweiz, Italien, Frankreich, GB...).

Wir tauschen uns über Hintergrundinformationen, Aktuelles, und Termine in der Friedensbewegung aus und nehmen an Konferenzen, Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen, Podiumsdiskussionen und Webinaren teil. Unsere Gruppe ist informationstechnisch intern höchst produktiv und intensiv (das kann u.U. auch mal ganz schön viel werden...) und diesen Informationsgewinn nutzen wir, um nach außen, lokal und überregional, ins Gespräch zu kommen, der einseitigen Berichterstattung etwas entgegen zu setzen, die Debatte zu fördern und zum Nachdenken anzuregen. Parallel dazu wurden von Beginn an erste Kontakte in die Friedensbewegung geknüpft.

Wir setzen uns für eine schnellstmögliche, international und interorganisatorisch konzertierte Verhandlungsstrategie bei gleichzeitigem Waffenstillstand in der Ukraine ein.

"Diplomatie statt Waffen!"

Darauf sollten unseres Erachtens vorrangig alle Bestrebungen abzielen, dafür alle möglichen und denkbaren Kräfte mobilisiert, gebündelt und ausgeschöpft werden. Die Behauptung, einzig der militärische Weg - also Krieg - sei alternativlos, ist unseres Erachtens (neben den mehrmaligen Gefangenenaustauschen und den Fluchtkorridoren) spätestens seit den erfolgreichen Verhandlungen in der Türkei hinreichend widerlegt.

„Nie wieder Krieg“, „keine Waffen in Kriegsgebiete“ und diplomatisches, besonnenes und mediatorisches Vorgehen waren einst Konsens und Grundpfeiler deutscher Außen- und Sicherheitspolitik aufgrund derer Deutschland für Verlässlichkeit und Stabilität international anerkannt und respektiert wurde.

Die am 27.02.2022 von Bundeskanzler Scholz verkündete „Zeitenwende“ ändert alles.

Sie ist die Überschrift für eine beispiellos massive Aufrüstung der Bundes-wehr, Waffenlieferungen direkt in ein Kriegsgebiet und verstärkt in Krieg führende Länder und eine offensive Ressourcenbuhlerei in Staaten, "die aus menschenrechtlicher Sicht im Widerspruch zum Koalitionsvertrag stehen. Dort heißt es:  Der Einsatz für "Freiheit, Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Nachhaltigkeit ist für uns unverzichtbarer Teil einer erfolgreichen und glaubwürdigen Außenpolitik." Von all diesen Voraussetzungen kann in Katar keine Rede sein."  (Annette Jensen, Amnesty International). "Zeitenwende" bedeutet also auch eine Abkehr von jeglichen bisherigen grundsätzlichen und konsensualen Werten.

Die eigene fundamentale Abkehr von diesen Werten (siehe u.a. auch das Wahlplakat der Grünen von letztem Jahr: "Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete. Bereit weil ihr es seid.") widerspricht jedoch den permanent allseits beschworenen und vermeintlich aktuell zu verteidigenden "demokratischen, westlichen Werten".

Wenn man sich selbst von ihnen dezidiert abwendet,

was bleibt denn dann noch übrig, das zu verteidigen wäre?

 

Die "Zeitenwende" führte von der Friedenslogik zur Kriegslogik.

 

Wir wehren uns gegen diese Kapitulation vor den einst von unseren Vordenkern mit guten Gründen eigens aufgestellten und in diesen Tagen viel zitierten Werten und konstatieren an dieser Stelle: Die Forderung nach Diplomatie ist nicht gleichbedeutend mit der Kapitulation der Ukraine, wie es den Unterzeichnern regelmäßig unterstellt wird. Gegen diese Behauptung wehren wir uns vehement!

Das tägliche Sterben, das unbeschreibliche Leid und die katastrophale Zerstörung in der Ukraine müssen schnellstmöglich ein Ende haben - jeder Tag zählt, jede Stunde, jede Minute. Nur mit Diplomatie ist dieses Ziel zu erreichen - und da gibt es sicherlich noch vielfältige Ansätze, die bisher noch nicht einmal diskutiert, geschweige denn unternommen wurden. Dabei ist unsere Sorge: je länger es dauert, desto schwieriger wird es.

„Am Ende wird es Verhandlungen geben“, darin sind sich alle einig. Die Frage ist nur wann - ob sofort oder im schlechtesten Fall in Jahren.
Unsere Medien blenden in ihrer Berichterstattung eine in der Bevölkerung weitverbreitete Skepsis gegenüber und Ablehnung von Waffenlieferungen weitestgehend aus. Dass die veröffentlichte Meinung so weit von der öffentlichen Meinung abweicht, darf jedoch in einer freien, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft nicht passieren.

Die Eskalationsspirale muss durchbrochen werden. Wir brauchen rational handelnde Politiker und keine von Emotionen und Wunschdenken geleitete - das ist brandgefährlich! Verbales, kommunikatives, mediatorisches und soziales Aufrüsten muss die Devise sein - nicht militärisches.

Daher wollen wir die einseitige, mediale Berichterstattung mit einer diskurs-fördernden, neutralen und unparteiischen Perspektive bereichern, uns kritisch mit den Zusammenhängen auseinandersetzen und Fakten bereitstellen. Wir wollen den Skeptikern und Ablehnern von Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet Ukraine mehr Gehör verschaffen und die Befürworter zum Nachdenken - „über den Tellerrand hinaus“ - anregen, denn:

Frieden kann nicht mit Gewalt aufrechterhalten werden;
er kann nur durch Verstehen erreicht werden.“

Albert Einstein

Unser Hauptanliegen ist Deeskalation, auch in der Rhetorik – für eine schnellstmögliche Beendigung des Sterbens, des Leids und der Zerstörung in der Ukraine, zur Verhinderung eines möglichen III. Weltkriegs, gegen eine weitere Verschlimmerung der Auswirkungen z.B. in Afrika und nicht zuletzt für eine soziale und gerechte Zeitenwende bei uns.

Die Eskalationsspirale muss unterbrochen werden – es darf also in der Debatte nicht darum gehen, dass die eine Seite gewinnt oder die andere verliert, sondern es muss darum gehen, den Krieg nicht noch weiter ziel- und planlos in die Länge zu ziehen.

Wir appellieren an die Politiker, sich endlich ernsthaft für eine Lösung des Konfliktes auf diplomatischem Weg einzusetzen, statt sich darin zu überbieten, noch mehr und noch schwerere Waffen in die Ukraine zu liefern.

Und über den Krieg in der Ukraine und dessen mittlerweile weltweite Auswirkungen hinaus – es gibt dramatische und existenzielle Probleme in unserem Land und weltweit (Klima, Energie, Wasser, Hunger...), deren Lösung nicht nur weit dringlicher als die Aufrüstung unserer und anderer Armeen ist, sondern ganz oben auf der Agenda stehen sollten. Und wie lange soll das noch so weitergehen, dass Staaten mit ihrer ökonomischen und militärischen Dominanz versuchen, ihre hegemoniellen Ansprüche durchzusetzen, anstatt auf Kooperation und friedliche Koexistenz zu bauen?


Liebe Friedensbewegten,

„Frieden ist nichts, was du dir wünschst. Es ist etwas, das du machst, etwas, das du tust, etwas, das du bist und etwas, das du verschenkst.“

John Lennon

In diesem Sinne - wir tun, was wir nicht lassen können und wenn es nur einen kleinen Anteil zum Frieden beitragen kann, dann ist die Welt ein kleines Stückchen besser geworden. Und wenn jeder bei sich mit kleinen Dingen anfängt, dann ist das in der Gesamtschau etwas richtig Großes, denn:

„Das Einzige, was die Menschheit zu retten vermag,
ist Zusammenarbeit, und der Weg zur Zusammenarbeit
nimmt im Herzen der Einzelnen seinen Anfang.“

Bertrand Russel

Sendet ein Friedenssignal in die Welt!

Solidarische Friedensgrüße, TS & Mitglieder DsW