Kapitalismus & Sozialismus


Ein Brief an Trotzkisten auf der ganzen Welt – 16. Nov. 1953

James P. Cannon, wsws.org, 15.11.2023

"Am 16. November 1953, heute vor 70 Jahren, veröffentlichte die Socialist Workers Party (SWP) in den Vereinigten Staaten einen „Offenen Brief“ an Trotzkisten in aller Welt. Der vom SWP-Nationalsekretär James P. Cannon verfasste Brief bildete die programmatische Grundlage für die Gründung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI). Die SWP war damals die amerikanische Sektion der trotzkistischen Weltbewegung.

Auf dem Spiel stand die Verteidigung der wesentlichen politischen Prinzipien, auf denen die Vierte Internationale, die 1938 unter der Führung Leo Trotzkis gegründet wurde, beruhte, und ihr Überleben als unabhängige revolutionäre Organisation..."


Harald Welzer:

"Meine Generation hat doch alles versaut"

"Die Boomer seien für viele der heute bestehenden Probleme verantwortlich, sagt der Soziologe Harald Welzer. Würden die Menschen weniger arbeiten, ginge es allen besser.

Im Herbst erschien die Streitschrift "Die vierte Gewalt", die er mit dem Philosophen Richard David Precht verfasste. Darin werfen die Autoren deutschen Medien vor, unausgewogen zu berichten. (...)

"Persönlich habe ich vor allem bemerkt, wie schwer es mir anfangs fiel, einfach mal nichts zu tun. Das musste ich erst trainieren."

(...) Mir hat es geholfen, mich in eine andere Umgebung zurückzuziehen, mich von den Dingen abzuschotten, die ich sonst mache, kein Internet zu haben. (...)

Stress resultiert nicht daraus, dass die Menschen das Buch kaufen. Er resultiert neuerdings aus primitiven persönlichen Anfeindungen, wie sie inzwischen auch in der Qualitätspresse vorkommen. (...) Das heißt, es geht nicht um Inhalte, sondern um billige Gewinne in der Ökonomie der Aufmerksamkeit. Das macht den Diskurs schwierig und das wiederum ist sehr schlecht für die Demokratie.

ZEIT ONLINE: Was würde sich für uns als Gesellschaft verändern, nähmen wir das Aufhören ernst?

Welzer: Wir würden weniger arbeiten, weil wir weniger produzieren. Wahrscheinlich könnten wir längst die Zehnstundenwoche einführen, für alle. Daran müssten wir uns erst gewöhnen, aber wir könnten lernen, unsere Zeit besser zu gestalten – und besser zu leben. Wer zufrieden ist, hat nicht ständig das Gefühl, sich für etwas entschädigen zu müssen. Konsum ist meistens eine Belohnung, der Ausgleich für ein hartes Leben. Wir kaufen dies, kaufen das. Aber wofür? Wenn wir diese Frage anders beantworten als bisher, bewegen wir uns auf einen systemischen Wandel hin. (...)"

Zeit Online, Interview von Jana Gioia Baurmann und Rebekka Wiese mit Harald Welzer, archive.ph, 03.01.2023


Grüner und gerechter

"Hatte Marx doch recht?"

"Der klassische Kapitalismus funktioniert nicht mehr. Aber angetrieben von immer neuen Weltkrisen und einem drohenden Klimakollaps zeichnen sich konkrete Reformideen ab: weniger Wachstum, mehr staatliche Zielvorgaben. Die SPIEGEL-Titelstory."

"In letzter Zeit klingt es so, als lese Ray Dalio morgens in seiner 2.000-m2-Villa nicht das »Wall Street Journal«, sondern »Das Kapital« von Karl Marx. »Der Kapitalismus funktioniert so nicht mehr für die meisten Menschen«, sagt Dalio. Sozialistischer Tendenzen war der Mann bislang unverdächtig. Er ist Gründer des größten Hedgefonds der Welt. Er besitzt nach Schätzungen rund 22 Mrd. Dollar..."

"...Die Rufe nach einer neuen Wirtschaftsordnung werden inzwischen aus allen Ecken lauter, auffallend oft aus unvermuteten: Die »Financial Times«, internationales Sprachrohr der Finanzmärkte, verkündete, es sei an der Zeit, dass der Neoliberalismus von der Weltbühne abtrete: Der Staat müsse jetzt ran..."

"...Inzwischen liegen die Schwächen so offen zutage, dass man dafür nicht erst Theoretiker wie Marx oder Thomas Piketty (»Das Kapital im 21. Jahrhundert«) bemühen muss:

Die Globalisierung ist aus dem Ruder gelaufen, fast alle Wohlstandsgewinne landen bei den obersten 10 % der Bevölkerungen. Der wahnwitzige Ressourcenverbrauch ruiniert den Planeten. Die Finanzindustrie schwelgt in immer neuen Exzessen.

Der britische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze formuliert es so:

»Willkommen in der Welt der Polykrise«..."