Gedichte I

"Dichten heißt verdichten."

Carl du Prel


Die Wahrheit

Jeder hat die Eig'ne parat,

verteidigt sie mit Wort und Tat.

Von verbohrten Demagogen

werden Wahrheiten verbogen.

Wir sind von Fake News umgeben,

müssen mit Staatslügen leben.

Wir alle lieben die Wahrheit,

und sind doch zu lügen bereit.

Die Wahrheit ist ein hohes Gut,

doch niemand hat sie absolut.

Der Weg zur Einsicht ist oft weit,

Wahrheit erfordert manchmal Mut.

Man kann an so vieles glauben,

einem Gott Vertrauen schenken;

doch sollte man sich erlauben,

zuweilen selber zu denken.

Die Rätsel der Welt ergründen,

die Wahrheit suchen und finden.

Rainer Kirmse , Altenburg 

 Ungerechte Welt

Ein reiches Land, das uns umgibt,

hier will man rein, es ist beliebt.

Besonders bei Millionären,

die sich gegen Steuern wehren.

Luxus und Geld im Überfluss,

für die Armen bleibt nur Verdruss.

 

Armut ist wohl keine Schande,

doch man steht damit am Rande.

Vielleicht wär mir's einfach egal,

wenn nicht in ziemlich großer Zahl

weltweit Kinder hungern müssten.

Das sollte alle entrüsten!

 

Die Millionen vom Millionär,

wo kommt der ganze Zaster her?

Erbschaft, Kapital und Zinsen,

Geldvermehrung ohne Grenzen.

Die Gesellschaft in Schieflage,

es stellt sich die Systemfrage.

Es sagt uns nicht erst der Armutsbericht,
auf unserem Erdball stimmt etwas nicht.
 
Immer reicher werden die Millionäre,
daneben wachsen die Armutsheere.
 
In düsteren Slums leben Millionen,
während and're in Palästen wohnen.
 
Hier im Lande geht die Spaltung weiter,
die vielen Tafeln stimmen nicht heiter.
 
Wohlstand für alle, muss heißen das Ziel,
Frieden und Freiheit stehen auf dem Spiel.
 
Rainer Kirmse , Altenburg

VÖLKERRECHT

Das Völkerrecht ist klares Recht,
kein undurchdringliches Geflecht.
Man sollte hier nicht taktieren
mit diversen Treueschwüren.

Freund oder Feind, völlig egal,
Völkerrecht ist universal.
Es gilt für Staaten und Armeen,
jegliches Regierungssystem.

Angriffskriege sind zu ächten,
Verletzung von Menschenrechten.
Wo immer ein Flächenbrand droht,
ist Frieden oberstes Gebot.

Dem Blutvergießen ein Ende,
Völker reichen sich die Hände.
Allen Menschen Gerechtigkeit,
Leben in Frieden und Freiheit.

Friede für das Heilige Land,
die Religionen Hand in Hand.
Friede Tel Aviv und Gaza,
Israel und Palästina.

Zwei Staaten sollten es sein,
Jerusalem beiden gemein.
Tempelberg und Klagemauer
brauchen Frieden auf Dauer.

Rainer Kirmse, Altenburg

Hoffnung

Und dräut der Winter noch so sehr
mit trotzigen Gebärden,
und streut er Eis und Schnee umher,
es muss doch Frühling werden.

Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht,
mir soll darob nicht bangen,
auf leisen Sohlen über Nacht
kommt doch der Lenz gegangen.

Drum still! Und wie es frieren mag,
o Herz, gib dich zufrieden,
es ist ein großer Maientag
der ganzen Welt beschieden.

Und wenn dir oft auch bangt und graut,
als sei die Höll' auf Erden,
nur unverzagt auf Gott vertraut!
Es muss doch Frühling werden.

Emanuel Geibel

Erster Schnee

Wie nun alles stirbt und endet und das letzte Lindenblatt
müd` sich an die Erde wendet in die warme Ruhestatt.
So auch unser Tun und Lassen, was uns zügellos erregt,
unser Lieben unser Hassen sei' ins welke Laub gelegt!

Reiner weißer Schnee, oh schneie, decke beide Gräber zu,
dass die Seele uns gedeihe still und kühl in Wintersruh!
Bald kommt jene Frühlingswende, die allein die Liebe weckt,
wo der Hass umsonst die Hände dräuend aus dem Grabe streckt.

Gottfried Keller

Der erste Schnee

Alfred Margul-Sperber