Gedichte I

"Dichten heißt verdichten."

Carl du Prel


Der erste Schnee

So leise, wie im klaren Teich der Schwan,
So fein und weich wie Seide flog es an.
Ein kühles Wunder, schimmernd weiß und weh,
Zart wie ein Traum : so kam der erste Schnee.

Sein holder Flaum, der an der Hand verging,
Fiel schwebend wie ein toter Schmetterling;
Die Flocken küssten zärtlich das Gesicht,
Das Land ward endlos, endlos weit und licht.
Die Flocken sanken unhörbar und schwer,
Nun ist nur Schnee und keine Landschaft mehr.

Blau ist der Abend und das Schneeland auch,
Nur von den Dächern kräuselt weißer Rauch.
Und Frische duftet aus dem Dämmerkrug:
Die Welt hält still mit tiefem Atemzug.

Alfred Margul-Sperber