Israel "aktivierte und bewaffnet" Gaza-Miliz um Abu Shabab

Veröffentlicht am 8. Juli 2025 um 02:35

...und installiert den nächsten Feind für eine endlose Selbstverteidigung.

In den 1980er-Jahren unterstützte die israelische Regierung den Aufbau und die Finanzierung der Hamas als Opposition zur damaligen PLO. Jetzt bekämpft sie die zuvor selbst aufgebaute Hamas wieder mit denselben Mitteln: Die sog. "Volkskräfte" (vormals "Anti-Terror-Dienst"), eine salafistisch-dschihadistische Miliz um Yasser Abu Shabab mit mutmaßlichen Verbindungen zum IS, wurde nun ganz offiziell "aktiviert", bewaffnet und bereits eingebunden. Sie soll als Regierung installiert werden.

Bereits seit 2005 ist öffentlich bekannt, dass im Gazastreifen diverse salafistisch-dschihadistische Milizen präsent sind, die mit der Hamas rivalisieren, v.a. weil die Hamas eine vollständige Umsetzung der Scharia ablehnt. Die meisten dieser Milizen sind seitdem an einem anhaltenden Aufstand in Gaza beteiligt und die von Israel ausgerüstete und (ohne Zustimmung des Sicherheitskabinetts) bewaffnete Miliz "Popular Forces" soll nun wohl nicht nur zur führenden lokalen Opposition gegen die Hamas instrumentalisiert, sondern als nächste Regierung implementiert werden, denn dies sei "erst der Anfang und das Experiment solle ausgeweitet werden". Es ist nicht das erste Mal, dass Israel Terrorgruppen sponsert.

Abu Shabab, der als verurteilter Drogendealer im Gefängnis saß, bevor er bei der israelischen Offensive nach dem Massaker des 7. Oktober 2023 auf bisher ungeklärte Weise frei kam, und seine Miliz plünderten wohl mindestens seit Ende letzten Jahres Hilfslieferungen und werden jetzt an den Verteilungsstellen der amerikanisch-israelischen Gaza Humanitarian Foundation (GHF) eingesetzt.

Abu Shabab trägt den Spitznamen „der israelische Agent“ und wird in den sozialen Medien des Gebiets als „Verräter“ bezeichnet.

Angriffe auf Hilfslieferungen

Seit der Eskalation 2023 gibt es Berichte über den Diebstahl von Hilfslieferungen und grundsätzlich wird die Hamas dafür verantwortlich gemacht. Jonathan Whittall, Leiter des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), sieht das anders: „...Israel hat öffentlich behauptet, dass UN- und NGO-Hilfen von der Hamas missbraucht würden. Dies hält einer genaueren Prüfung jedoch nicht stand. Wir haben keine Beweise dafür, dass über glaubwürdige humanitäre Kanäle koordinierte Hilfe missbraucht wurde... Seit Kriegsbeginn sind kriminelle Banden unter Aufsicht der israelischen Streitkräfte für den Diebstahl von Hilfsgütern verantwortlich, und ihnen wurde gestattet, in der Nähe des Grenzübergangs Kerem Shalom nach Gaza zu operieren...“

Mehrere Videos aus dem Facebook-Profil Shababs zeigen Mitglieder der Abu-Shabab-Gruppe, die an der Seite israelischer Soldaten in von der IDF kontrollierten Gebieten im südlichen Gazastreifen operieren. In einem Interview mit der New York Times noch im November 2024 gab Abu Shabab selbst zu, dass seine Männer seit Beginn des Krieges ein halbes Dutzend Hilfsgütertransporter überfallen haben.

UNRWA-Chef Philippe Lazzarini erklärte im Dezember 2024 im Zuge dessen Rückzugs, "die Route sei seit Monaten nicht sicher, allein im November seien 100 Lastwagen mit Hilfsgütern überfallen worden". Die Volkskräfte überfielen einen Konvoi von 109 UN-Hilfslastwagen und plünderten 98 von ihnen in der Nähe israelischer Militäreinrichtungen am Grenzübergang Kerem Shalom. Die Täter, die laut einem UN-Memo möglicherweise "Schutz" von den israelischen Streitkräften genossen haben, warfen Granaten und hielten Lastwagenfahrer mit vorgehaltener Waffe fest, um sie zu zwingen, ihre Hilfsgüter abzuladen. 

Lazzarini ergänzte, dass "Israel gemäß dem Völkerrecht als Besatzungsmacht dafür verantwortlich sei, Entwicklungshelfer und Hilfsgüter zu schützen, „die sichere Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen zu gewährleisten“ und „Angriffe auf humanitäre Helfer zu unterlassen“. Laut den UN wurden bei israelischen Angriffen im Gazastreifen mindestens 333 humanitäre Hilfskräfte getötet." Jetzt kommen die Angriffe der instrumentalisierten Shababs noch dazu.

Installation einer Regierung

Über die gesamte Zeit seit dem Oktober 2023 beantwortet die israelische Regierung die Frage nach dem "Danach" nicht. Allerdings wurde kürzlich aus Regierungskreisen zugegeben, dass die Shabab-Operation schon länger vom israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Beth "geplant und gesteuert" wurde. Es gibt demnach nur zwei mögliche israelische Intentionen für das "Danach": Die Installation einer dschihadistischen Regierung in Gaza, die oppositionell zu den Hamas ist oder direkt der Beginn eines unabsehbar lang andauernden "Bürgerkriegs", der sogleich auch einen endlosen "Verteidigungskrieg" rechtfertigen soll (man tauscht den einen Feind mit dem nächsten aus). Bei beiden Alternativen wird die palästinensische Bevölkerung die hauptsächlich Leidtragende sein.

Alternative 1 würde nachahmen, was wir in letzter Zeit häufig auch in anderen Ländern erlebt haben: es werden Terrorgruppen in Regierungsverantwortung gehievt. Da die aktive Hamas längst in Gaza bekämpft ist (weshalb sich auch Viele über die Fortführung des Krieges wundern), dürfte es keinen nennenswerten Widerstand gegen die dschihadistische Miliz geben können. Es sei denn - und hier ginge es nun um Alternative 2 - andere Länder greifen verstärkt dagegen ein (mittels oppositioneller Unterstützung). Beide Alternativen können auch nur negativ für die israelische Bevölkerung sein.

Offensichtlich ist definitiv eins: die israelische Regierung hat mit den Shabab-Dschihadisten Größeres vor. Und daher beschützt sie auch diese, wie der israelische Nachrichtensender i24 gerade berichtete: "Die israelische Armee griff in einen Schusswechsel zwischen den Seiten ein und startete einen Luftangriff, um Abu Shabaab zu unterstützen." Das soll der erste israelische Angriff gewesen sein, der einzig darauf abzielte, "Mitgliedern" (Terroristen?) der Abu Shabaab zu helfen.

Gute Terroristen, böse Terroristen - allerdings auch nur situativ (siehe z.B. Hamas).

i24NEWS schreibt, dass "die Gruppe während des Krieges Spezialoperationen gegen Kriminelle und Straßenräuber durchführte und gegen sie „revolutionäre Urteile“ verhängte, mittels Schlägen und indem sie ihnen Gliedmaßen brach". Sie wurden also von den Shababs misshandelt und gefoltert.

Darüber hinaus gäbe es mittlerweile einen Stellvertreter, Ghassan al-Dahini, aus dessen Facebook-Account sie zitieren, dass „eine Gruppe von Spezialeinheiten der Volkskräfte eine Gruppe des schmutzigen Flügels der Hamas bei der Unterdrückung der Bevölkerung überfallen“ habe und „die Volkskräfte erstmals Flugabwehrraketen einsetzten...“

Und gegenüber i24NEWS bestätigte er höchst selbst "die Absicht, im Süden des Gazastreifens eine lokale Regierung zu bilden und nach Norden zu expandieren."

Im Untertitel des Videos auf dieser Seite steht:

"Gemeinsam werden wir eine Selbstverwaltung aufbauen“: Abu Shabaab sucht Ärzte und Pädagogen für eine alternative Regierung im Gazastreifen."

Salafistisch-dschihadistischer Aktivismus in Gaza

Zur Verdeutlichung und Einordnung, worum es hier geht und wen die israelische Regierung hier einbindet, beschützt und installieren möchte, im Folgenden ein Zitat von Benedetta Berti vom Combating Terrorism Center at West Point (NY), einer Einrichtung an der United States Military Academy (USMA), die Bildung, Forschung und Politikanalyse in den Spezialbereichen Terrorismus, Terrorismusbekämpfung, innere Sicherheit und interne Konflikte anbietet:

"Obwohl diese Gruppen mit der Hamas ein Interesse an der Führung des Dschihad gegen Israel und den Fokus auf die Islamisierung der palästinensischen Gesellschaft teilen mögen, könnten die Unterschiede zwischen den neuen salafistisch-dschihadistischen Fraktionen und den etablierteren palästinensischen politischen Akteuren nicht ausgeprägter sein.

Erstens definieren die salafistisch-dschihadistischen Gruppen den "Widerstand" gegen Israel nicht in nationalistischen Begriffen – im Vergleich zu Fatah oder Hamas – und bestehen stattdessen auf der transnationalen Dimension des palästinensischen Dschihad, wodurch ihre Rhetorik viel näher an al-Quaida als an anderen palästinensischen bewaffneten und politischen Gruppen liegt.

Zweitens sind die salafistisch-dschihadistischen Kräfte entschlossen, die palästinensische Gesellschaft zu islamisieren und die Scharia durchzusetzen, indem sie alle verfügbaren Mittel, einschließlich Gewalt, einsetzen; Dieser Ansatz unterscheidet sich radikal sowohl von der säkularen Agenda der Fatah als auch von der schrittweisen Herangehensweise der Hamas an das Thema.

Drittens sind diese Gruppen strikt gegen politische Partizipation in politischen Systemen, die nicht auf der Scharia beruhen (wie dem palästinensischen) – eine weitere Gemeinsamkeit zwischen der Weltanschauung dieser Gruppen und der Vision internationaler dschihadistischer Organisationen wie al-Qaida. Infolgedessen kritisieren die salafistisch-dschihadistischen Gruppen in Gaza die Entscheidung der Hamas, an den palästinensischen Wahlen 2006 teilzunehmen, scharf und stellen sich seitdem gegen die Hamas-Regierung."

Salafistisch-dschihadistischer Aktivismus in Gaza - Zentrum zur Bekämpfung des Terrorismus in West Point

Sollte also die Installation der Shababs in Gaza gelingen, dann wird es dort die wohl islamistischste und für die Palästinenser und Israelis gefährlichste Regierung aller Zeiten geben. Und ein « Mogadischu 2.0 » im Gazastreifen" und in ganz Israel.


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