Neues Buch von Erich Vad: "Abschreckend oder erschreckend"

Veröffentlicht am 9. Juni 2024 um 17:11

"Was hat das Südchinesische Meer mit der Krim-Halbinsel zu tun? Sind die USA noch unser Freund und Helfer? Apropos: Unter welcher Flagge kämpft eigentlich Europa?

Dr. Erich Vad, Brigadegeneral a.D. und militärpolitischer Berater der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, liefert Antworten: Europa braucht nachhaltige Sicherheit.

Und die kommt nicht von allein, sondern nur, wenn wir etwas dafür tun, und sie kommt hoffentlich auch aus Deutschland.

Denn wenn wir das Leben, wie wir es kennen, und unsere Freiheit bewahren wollen, dann müssen wir unsere eigenen - deutschen wie europäischen - Interessen kennen und danach handeln. Das macht uns zu einem Staat und Kontinent, der die Stärke und den Einfluss besitzt, Lösungen zu finden und durchzusetzen.

Erich Vad zeigt Wege auf, durch glaubwürdige militärische Abschreckung, Verteidigungsfähigkeit und Diplomatie Kriege zu verhindern und den Frieden zu bewahren.

Ein Buch für alle, die wissen wollen, was es braucht, um Europa zu stärken und den Frieden zu wahren."

westendverlag.de, abschreckend oder erschreckend


Rezension

Kollektive Sicherheit

Julian Nida-Rümelin, veröffentlicht am 19 Juni 2024, Kollektive Sicherheit | Philosophie Magazin (philomag.de)

"...Es ist kein philosophisches Buch, wenn auch Kriegstheoretiker wie Carl von Clausewitz, der Militärhistoriker Martin van Creveld, Carl Schmitt und der altchinesische Kriegsphilosoph Sunzi eine Rolle spielen.

Dennoch ist dieses Buch auch aus philosophischer Perspektive interessant. Es positioniert sich in der uralten Auseinandersetzung zwischen Idealisten und Realisten der internationalen Politik klar auf der Seite letzterer. Ausgangspunkt internationaler Politik müssen die Interessenlagen der beteiligten Staaten sein und nur, wer diese versteht, kann eine rationale Friedenssicherung betreiben...

Im Nuklearzeitalter haben sich die Fronten verschoben.

In den Debatten der jüngsten Zeit sind es die Menschenrechtsidealisten, die sich um Fragen der Stabilität der internationalen Ordnung nicht weiter scheren, den Kampf gegen Autokratien und Diktaturen mit militärischen Mitteln betreiben und die die Gefahr einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Krieges kleinreden.

Es sind ausgerechnet die oft konservativen Realisten der internationalen Politik, die vor dieser Form des bellizistischen Idealismus warnen.

Die, wie John Mearsheimer oder Henry Kissinger, früher George Kennan, auch der linke Columbia-Professor Jeffrey Sachs und zahlreiche hochdekorierte Militärs der Nato, davor warnen, die Prinzipien einer stabilitätsorientierten Globalpolitik, wie sie spätestens seit der Kubakrise und dem damals beinahe ausgebrochenen dritten Weltkrieg über die Jahrzehnte des Kalten Krieges beachtet wurden, nun zu vergessen. Erich Vad gehört zweifellos in diese Denktradition, der auch der ehemalige Nato-General Harald Kujat zuzurechnen ist. Auch der Architekt der deutschen Ostpolitik Egon Bahr war kein Idealist, sondern ein Realist der internationalen Beziehungen...

Niemand ist sicher, wenn nicht alle sicher sind.

Russland wird von der Landkarte nicht verschwinden und es wird die Zeit kommen, in der eine Politik der Entspannung und des Interessenausgleichs unter Einbeziehung aller erforderlich ist, um Europa nicht zum dauerhaften Krisenherd werden zu lassen. Das Buch von Erich Vad gibt auf diesem Weg sicherheits- und militärpolitische Orientierung."


Auszug aus dem Buch

«Der Krieg in der Ukraine muss beendet werden»,

Erich Vad / 21.06.2024, infosperber.ch

"...Wenn wir die Situation realistisch betrachten und strategisch vom Ende her denken, kann es nicht in unserem Interesse sein, Russland zu besiegen und dadurch die gesamte Region zu destabilisieren...

Deshalb ist es dringend an der Zeit, ernsthaft und länderübergreifend eine politische Lösung für den Krieg anzustoßen. Lange genug haben wir, nicht nur in Deutschland, Kriegsrhetorik und Haltungsdiplomatie im Umgang mit dem Krieg bemüht...

Wer Krieg versteht, weiß, dass es nicht um emotional aufgeladene Debatten gehen kann, um einseitige Parteinahme, um eine moralisch klare Positionierung. Wer Lösungen finden will, muss versuchen dürfen, über den beteiligten Kriegsparteien zu stehen, um das gesamte Bild zu sehen – nicht nur die Seite, der man emotional zuneigt. In den vergangenen zwei Jahren war das schwierig, für viele Deutsche war es ein moralisches Tabu, reine Fakten zu sehen und unbeliebte mögliche Szenarien anzusprechen.

Deshalb haben wir bis heute kein strategisches Konzept, keine realistischen Ziele bezüglich der Ukraine – nur Waffenlieferungen. Auch auf europäischer Ebene fehlt uns jede Vision und Strategie, wie wir künftig mit Russland umgehen wollen. Das müssen wir ändern. Es wird an den Europäern liegen, die jetzige Situation mitzugestalten, zumal der Krieg in der Ukraine uns auch wirtschaftlich unmittelbar betrifft...

Die Antwort auf die Frage, wie man Putin in der gegenwärtigen militärischen Pattsituation an den Verhandlungstisch bringt, muss dabei lauten: politisch gesichtswahrend für den Westen wie für Russland unter gegenseitiger Akzeptanz der Sicherheitsbedürfnisse beider Seiten. Politischer Druck muss dazugehören, ohne ihn geht es nicht. Deutschland muss hier anstoßen und initiieren...

Diplomatie, Interessenausgleich, Verständigung und Konfliktbewältigung müssen jetzt unser politisches Ziel sein. In einem ersten Schritt muss ein Waffenstillstand verhandelt werden; danach können Friedensverhandlungen beginnen..."


"Eskalation des Ukrainekriegs wäre nur für Selenskyj hilfreich"

Im Interview mit Simon Zeise warnt der frühere Brigadegeneral Erich Vad vor Militärschlägen auf russisches Territorium. Das Risiko der nuklearen Eskalation steige.  (berliner-zeitung.de, 09.06.2024)

"Vor kurzem noch hat die Ukraine – neben der Beschießung auch ziviler russischer Infrastruktur im Raum Belgorod – russische Radarstationen, die zum nuklearen Frühwarnsystem der Russen gehören, über 1000 Kilometer tief in Russland angegriffen und zerstört. Solche Schläge gegen Ziele im russischen Hinterland haben ein immens hohes Eskalationsrisiko, wenn sie gegen Anlagen der Nuklearstreitkräfte geführt würden...

Luftschläge auf das russische Hinterland haben für die ukrainische Regierung den politischen Vorteil, dass sie medial Erfolge vorweisen kann.

Aber sie ändern nichts an der militärischen Gesamtlage. Sie sind kein Gamechanger, sondern tragen in sich die Gefahr einer weiteren Eskalation.

Man sollte – neben Waffenlieferungen – nach Wegen suchen, um aus dem Krieg, in dem es keine militärische Lösung gibt, rauszukommen. Der ausschließliche Blick auf größere Kaliber bei unseren Waffenlieferungen ist zu verkürzt...

Bislang gibt es verschiedene Friedensinitiativen: aus China, der Türkei oder der Schweiz.

Aus Deutschland und von der EU ist nichts gekommen. Wir spielen brav die Unterstützerrolle für die Nato.

Nicht mehr und nicht weniger. Selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges wurde militärische Stärke immer mit Interessenausgleich, Dialogbereitschaft und vertrauensbildenden Maßnahmen flankiert...

Eine verantwortliche Außenpolitik sieht anders aus.

Sie muss gerade in Konflikten und Kriegen auf Interessenausgleich ausgerichtet sein, nicht auf das Anheizen von bestehenden Konflikten zwischen Nationen zum Wohl der eigenen, scheinbar werteorientierten Hypermoral, die bei genauem Hinsehen oft Doppelmoral ist...

Ein realistisches Ausstiegsszenario sehe ich derzeit nicht mehr. Bei der sogenannten Schweizer Friedenskonferenz im Juni sind die wesentlichen Akteure China und Russland nicht vertreten. Auch die USA schicken nur Vertreter aus der zweiten Reihe...

Eigentlich wäre die Beendigung eines Krieges in Europa eine genuin europäische Aufgabe..."


Erich Vad beim Friedensgebet in der Nikolaikirche am 15.4.2024


Ausgewählte Texte und Interviews

„Wer von Moral spricht, wird immer den Krieg verlängern, wer von Interessen spricht, der sucht Lösungen.“

Michael von der Schulenburg


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