Kolonialmärkte, Teil 1

Veröffentlicht am 20. Dezember 2025 um 07:01

Die uferlose Militarisierung und die damit einhergehende eskalatorische Rhetorik nehmen höchst gefährliche Ausmaße an, allein in den letzten Tagen gab es mehrere Reden – eher "Schlachtrufe" -, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen, wie z.B. von Frankreichs Generalstabschef Fabien Mandon, dem britischen Militärchef Sir Richard Knighton, der neuen Chefin des britischen Geheimdienstes MI6 Blaise Metreweli oder dem deutschen Bundeskanzler Merz (ab 5 Uhr wird...?).

Die Zeit ist gekommen, in der sie nicht nur ganz unverhohlen aussprechen, worum es ihnen geht, sie halten jetzt anheizende "Motivationsreden". Dabei sind mitnichten alle in der EU dieser Meinung, wie man ganz aktuell auch am allumfassenden Scheitern von Merz und von der Leyen miterleben konnte. Neben der "Koalition der Willigen" gibt es auch noch die vernünftigen Stimmen, vor allem in sie setzen wir unsere Hoffnung.

Sie sind eigentlich deutlich in der Mehrheit. Da fragt man sich schon immer wieder, wie es überhaupt soweit kommen konnte, dass die ganze Welt mittlerweile vom Dritten Weltkrieg spricht (das bisher bereits Undenkbare) und viele einschlägige Sachkundige uns bereits darin verstehen.

Gier nach Macht und Geld? Russenhass? Faschismus? Kapitalismus? Globalisierung? Zunehmende Ressourcenknappheit? Korruption? Ein Krieg der Superreichen gegeneinander? Ideologie oder gerade keine? Schach?

Man kann nur spekulieren - ich vermute, es ist ein Mix aus allem - zuvorderst aber geht von den Ausführenden damit einher eine Überheblichkeit, die nur ein Beispiel kennt: die Überheblichkeit der Kolonialisten der letzten hunderten von Jahren.

Wer waren die Hauptkolonialmächte?

"Das Zeitalter des Kolonialismus begann im 15. Jahrhundert, als zunächst Portugal und Spanien Handels- und Militärstützpunkte außerhalb von Europa einrichteten. Später besetzten auch die Niederlande, England*, Frankreich*, Belgien, Deutschland*, Italien, Russland [Anm.: durch Binnenkolonialismus], Japan und die USA ausländische Gebiete und unterwarfen sie gewaltsam ihrer Herrschaft. Ende des 19. Jahrhunderts hatten die großen Kolonialmächte weite Teile der Welt unter sich aufgeteilt und beuteten ihre Ressourcen aus...", so das BMZ. (* EU-3)

Die Kolonialmächte waren also europäische Staaten, die im Zeitalter des Kolonialismus und Imperialismus (ca. 15. bis 20. Jahrhundert) Territorien in Übersee unter ihre Kontrolle brachten, um deren Ressourcen auszubeuten und ihre eigene Macht zu stärken.

Hinsichtlich der unverändert Beteiligten könnte man auch sagen:

Die Kolonialmächte sind also europäische Staaten, die seit über 500 Jahren und auch weiterhin jetzt im Zeitalter des Kapitalismus Territorien in Übersee unter ihre Kontrolle brachten und bringen wollen, um deren Ressourcen auszubeuten und ihre eigene Macht zu stärken.

Einflusskolonisierung

Im Unterschied zu früher eröffnete der Kapitalismus allerdings eine neue, effizientere Art der Ausbeutung. Es geht nicht mehr um die Aneignung, also das Eigentum, an Territorium (Boden), sondern um den Einfluss. Früher war es eine Territorialkolonisierung, heute ist es eine Einflusskolonisierung. Der Vorteil liegt im deutlich niedrigeren Return on Investment (ROI), da der Kostenfaktor um ein Vielfaches niedriger ist (Eigentum verpflichtet - und auferlegt Kosten und Verantwortung). Staaten an sich spielen dabei auch nur noch eine nachgelagerte Rolle, sie funktionieren doch eher als Werkzeug denn als eigenständiges Subjekt. Die wirkliche Macht - also der Einfluss - liegt ja nun offensichtlich an anderer Stelle.

Verantwortung der Unternehmen vs. Schwarze Einflusslöcher

Seit Jahrzehnten wird bereits über die sog. „gestiegene Verantwortung der Unternehmen“ diskutiert, denn „sie sind diejenigen, die „heute maßgeblich die Verteilung wirtschaftlicher und sozialer Ressourcen wie Anerkennung, soziale Positionen, Macht oder Informationen bestimmen“. Sie sind dazu aufgefordert, sich stärker in den Dienst der Gesamtgesellschaft zu stellen und über den ökonomischen Erfolg und das Gewinnmaximierungsprinzip hinaus soziale Verantwortung zu übernehmen. Bereits im Jahre 1973 wurde diese Forderung im „Davoser Manifest“ auf dem European Management Forum selbst von den Managern erhoben, denn hier wurde deklariert: „Berufliche Aufgabe der Unternehmensführung ist es, Kunden, Mitarbeitern, Geldgebern und der Gesellschaft zu dienen und deren widerstreitende Interessen zum Ausgleich zu bringen.“ (vgl.)

„Unternehmen“ an sich sind allerdings erst einmal nur Namen auf Papier – Blackrock ist ein Name, Vanguard ist ein Name. Diese Buchstaben auf Papier sind für nichts verantwortlich – dessen Eigentümer und Angestellte sind die Verantwortlichen (in unterschiedlichem Grad). Ein Unternehmen ist nichts ohne seine Unternehmenden. Diese werden jedoch zu selten adressiert – und so wird eine künstliche Distanz geschaffen, die Verantwortung umlenkt.

Darüber hinaus haben wir eine Superreichenriege, von denen jeder Einzelne für sich allein bereits ein multilateraler, globalisierter Großkonzern ist. Es gibt in etwa 85.000 Superreiche auf der Welt, das bedeutet einen Anteil von 0,001 % an der Weltbevölkerung (8,15 Mrd.). Und gerade die reichsten der Reichen bündeln ihren Einfluss.

Staaten sind heute von diesen Schwarzen Einflusslöchern abhängig – vielleicht sogar in ähnlicher Art und Weise wie jeder Arbeiter und Angestellter von seinem Arbeitgeber. Die Wirtschaft (bzw. einige wenige innerhalb dieser) bestimmt die Politik. Staaten werden ausgebeutet um andere auszubeuten.

Das war – zumindest auf dem Papier – einst anders gedacht, dafür gibt`s Gesetze. Wenn es jedoch ein Abhängigkeitsverhältnis Staat->Wirtschaft gibt, dann erkennt man leicht, wer wen in der Hand hat und be-einfluss-t.

Das ist also der Unterschied zur Ausbeutung der Jahrhunderte zuvor? Der Kapitalismus hat es möglich gemacht?

Einflusskriege

Kurzum: Der heutige Kolonialismus hat sich der Kosten und der Verantwortung weitgehend entledigt und sahnt nur noch ab. Man könnte auch sagen: Es gibt moderne Sklaverei und es gibt modernste Sklaverei. Die einstigen Machtzentren haben sich verschoben und die Ausbeutung mittels Kolonialisierung hat sich damit beschleunigt. Die Kolonialisierung hat nie aufgehört, sie bedient sich nur anderen Mitteln. Sie hat sich weiterentwickelt, ist effizienter geworden und damit so brutal wie nie.

Daher auch überall diese sog. Stellvertreterkriege. Man müsste das vielleicht ein wenig umdefinieren: nicht der Krieg der Stellvertreter gegeneinander steht im Vordergrund, man möchte in erster Linie die entsprechende Region in der Hand behalten (den Einfluss darüber, jedoch ohne das Eigentum). Daher kann es auch vorkommen, dass ein "gegnerischer" Stellvertreter andernorts oder sonst "Freund" ist. Das wäre ggf. eine Erklärung für die auf den ersten Blick verwirrende Situation im Nahen/Mittleren Osten (Syrien, aber auch z.B. Indien/China über Pakistan).

Eventuell bräuchte man einen neuen Begriff, denn ein "herkömmlicher" Stellvertreterkrieg ist doch was Anderes (und kommt so ja gar nicht mehr vor – bzw. nur in zweiter Linie). Ich schlage vor: Einflusskriege.

Sitzt die Überheblichkeit ggf. tiefer?

Jetzt stehen wir am Anfang des Dritten Weltkriegs und es tangiert sie augenscheinlich noch nicht einmal. Hängt das mit dieser über Jahrhunderte gelebten Überheblichkeit zusammen? Die Traumaforschung bestätigt: Traumas werden transgenerational bis in die vierte Generation weitervererbt durch epigenetische Veränderungen und durch elterliches Verhalten.

Und nun führen wir uns einmal vor Augen, dass dieses kolonialistische Denken und Agieren ja fortwährend seit 500 Jahren gelebt, also immer aktuell gehalten bzw. verstärkt, wird.

„Wir“ (der Westen) nennen uns selbst „Erste Welt“ - vor der „Zweiten“ und der „Dritten Welt“. Um einmal für eine Sekunde (widerstrebend und dennoch zur Verdeutlichung) in diesem hierarchisch-überheblich autoritären Denkmuster zu bleiben:

Vielleicht sind „wir“ aber auch das Allerletzte?

Morgen ist der 4. Advent im sog. „Christlichen Abendland“ (man hört auch das leider wieder öfter in diesem Ton...) - was läge da nicht näher, als die Bibel dazu heranzuziehen?

„Aber viele, die jetzt die Ersten sind, werden dann die Letzten sein, und viele, die jetzt die Letzten sind, werden dann die Ersten sein.“ (Matthäus 19,30)

„Hochmut kommt vor dem Fall.“ (Sprüche 16,18)

Höchste Zeit für Demut.

...Fortsetzung folgt...


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