Krieg dem Kriege

Veröffentlicht am 23. April 2024 um 16:15

"Die Wucht des Krieges trifft immer ihre Opfer,

aber selten trifft die Wucht des Pazifismus die Krieger."

Eines dieser seltenen Ereignisse ist das Buch "Krieg dem Kriege" von Ernst Friedrich (1924) mit Fotografien und Texten aus dem Ersten Weltkrieg, auf das ich hier aufmerksam machen möchte.

Eine kurze Vorstellung des Buches findet Ihr im Anschluss an das Gedicht "Krieg dem Kriege" von Kurt Tucholsky, welches er bereits 5 Jahre früher (1919) zu Papier gebracht hat.


Krieg dem Kriege, Kurt Tucholsky, 1919

Sie lagen vier Jahre im Schützengraben.
Zeit, große Zeit!
Sie froren und waren verlaust und haben
daheim eine Frau und zwei kleine Knaben,
weit, weit –!

Und keiner, der ihnen die Wahrheit sagt.
Und keiner, der aufzubegehren wagt.
Monat um Monat, Jahr um Jahr...

Und wenn mal einer auf Urlaub war,
sah er zu Hause die dicken Bäuche.
Und es fraßen dort um sich wie eine Seuche
der Tanz, die Gier, das Schiebergeschäft.

Und die Horde alldeutscher Skribenten kläfft:
„Krieg! Krieg!
Großer Sieg!

Sieg in Albanien und Sieg in Flandern!“

Und es starben die andern, die andern, die andern...

Sie sahen die Kameraden fallen.
Das war das Schicksal bei fast allen:
Verwundung, Qual wie ein Tier, und Tod.
Ein kleiner Fleck, schmutzigrot-
und man trug sie fort und scharrte sie ein.
Wer wird wohl der nächste sein?

Und ein Schrei von Millionen stieg auf zu den Sternen.

Werden die Menschen es niemals lernen?

Gibt es ein Ding, um das es sich lohnt?

Wer ist das, der da oben thront,
von oben bis unten bespickt mit Orden,
und nur immer befiehlt: Morden! Morden! –
Blut und zermalmte Knochen und Dreck...
Und dann hieß es plötzlich, das Schiff sei leck.

Der Kapitän hat den Abschied genommen
und ist etwas plötzlich von dannen geschwommen.
Ratlos stehen die Feldgrauen da.

Für wen das alles? Pro patria?

Brüder! Brüder! Schließt die Reihn!
Brüder! das darf nicht wieder sein!
Geben sie uns den Vernichtungsfrieden,
ist das gleiche Los beschieden
unsern Söhnen und euern Enkeln.
Sollen die wieder blutrot besprenkeln
die Ackergräben, das grüne Gras?

Brüder! Pfeift den Burschen was!
Es darf und soll so nicht weitergehen.
Wir haben alle, alle gesehen,
wohin ein solcher Wahnsinn führt –

Das Feuer brannte, das sie geschürt.

Löscht es aus! Die Imperialisten,
die da drüben bei jenen nisten,
schenken uns wieder Nationalisten.

Und nach abermals zwanzig Jahren
kommen neue Kanonen gefahren. –

Das wäre kein Friede.
Das wäre Wahn.

Der alte Tanz auf dem alten Vulkan.
Du sollst nicht töten! hat einer gesagt.
Und die Menschheit hörts, und die Menschheit klagt.
Will das niemals anders werden?

Krieg dem Kriege!

Und Friede auf Erden.


Krieg dem Kriege! - Ernst Friedrich, 1924

„Denen, die mir so oft bejahend zugehört haben, lege ich nahe: Das Buch in einem oder mehreren Exemplaren zu kaufen und für seine Verbreitung zu sorgen.“ Kurt Tucholsky

"Die Eröffnung: ein neunseitiger radikalpazifistischer Text gegen den Krieg an sich und gegen die psychologische Kriegsvorbereitung schon der Kinder, vor allem aber gegen staatliche Kriegstreiber und private Kriegsgewinnler:

„Der Generalstreik sei die erste Waffe! Die Männer werden den Dienst verweigern!
Das wahre Heldentum liegt nicht im Morden, sondern in der Weigerung, den Mord zu tun!
Füllt lieber alle Gefängnisse und Zuchthäuser, und alle Irrenanstalten aller Länder,
als für das Kapital zu morden und zu sterben!"

Soldaten gelten als vom Staat bezahlte Berufsmörder, nachgewiesen in zahlreichen Fotos von mörderischen Übergriffen auf Zivilisten. Die Kriegsdienstverweigerung dagegen gilt als erste Pflicht derer, die Ernst Friedrich als Kanonenfutter für die Interessen des internationalen Kapitals begreift. Und sollte sich der Mann als zu schwach für die Kriegsverhinderung erweisen, so ergeht ein letzter Aufruf zur Sabotage durch die Frau: 

„Mütter aller Länder vereinigt Euch!“

vgl. deutschlandfunk.de, Martin Zähringer, 29.06.2015

Der deutsche Pazifist Friedrich versuchte mit diesem Buch, die Menschen wach zu rütteln, indem er den Schrecken des Krieges aufzeigte.

Nach der Auffassung, dass ein Bild mehr als tausend Worte zeige, sind in dem Buch unter anderem Kriegsszenen aus dem Ersten Weltkrieg dargestellt. Er prangert die euphemistische Sprache der Kriegspropaganda an, indem er Fotografien von der Front mit Untertiteln kontrastiert.

Bekannt machte dieses Buch auch die Abbildung von furchtbar verstümmelten Soldaten. So sieht man einen Offizier auf einem Lazarettbett, dem Mund und Unterkiefer weggerissen wurde. Eine einzige Fleischwunde ist an deren Stelle getreten. Friedrich untertitelt mit einem Ausspruch des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg: "Der Krieg bekommt mir, wie eine Badekur!"

Wenige Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde es zur „Bibel der Pazifisten“, die angesichts des Grauens der Schützengräben sich unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ zu organisieren suchten.

„Dieses Buch sollten wir nicht unsern Freunden zeigen, denen, die schon Pazifisten sind, also nicht den alten Fehler wiederholen, der so oft gemacht wird: Missionare nach Rom zu schicken,

sondern wir sollten es den Gegnern zeigen.

In Versammlungen, in Schulen, in Vereinen, an Stammtischen – dieses Grauen kennt ja keiner von denen. Und man sollte das Buch auch Frauen zeigen, gerade Frauen zeigen.“


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